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@ AfD-Debatte: Es darf schmutzig werden!

Veröffentlicht am 28.01.2016

Der Umgang mit der AfD hinsichtlich der geplatzten Debatten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die teils massiven Proteste gegen AfD-Veranstaltungen oder nun gar – sollte sich die Geschichte als wahr herausstellen – ein Anschlag auf einen AfD-Plakatierer in Karlsruhe zeugen nicht nur von wenig Selbstvertrauen seitens der Kritiker, sondern auch von einer Geistesverwandtschaft mit genau denjenigen ignoranten, irrationalen, romantischen und reaktionären Strömungen innerhalb der Post-Lucke-AfD, die sie zu bekämpfen vorgeben.

Anstatt die AfD hart, aber nach den fairen Gepflogenheiten liberaler, demokratischer Gesellschaften in öffentlichen Schlagabtauschen anzugehen, versuchen Besorgte, Furchtsame, Wohlmeinende wie auch Radikale, sie gar nicht erst zu Wort kommen zu lassen. Damit erzielen sie das Gegenteil dessen, was sie – angeblich – erzielen wollen. Sie beschädigen die Demokratie, um die Demokratie zu schützen – Chapeau! Sie übersehen: Demokratie ist nicht Wellness. Sie ist schmutzig, sie ist unschön, sie tut weh. Wer erinnert sich noch an zwei der ersten demokratischen Abstimmungen? Genau: Soll Sokrates sterben? Ja! Soll Jesus sterben? Ja!

Zurück in die Gegenwart: Die Folgen auf Seiten der AfD werden sein: Selbststilisierung zu Märtyrern und weitere Radikalisierung. Die Partei wird enger zusammenrücken und sich in ihrem Weltbild bestätigt sehen: aufrichtige, tugendhafte Rechtskonservative gegen heuchlerische, pseudotolerante Linksprogressive. Einer streitbaren, aufgeklärten Demokratie steht es nicht gut zu Gesicht, das Gärende und Schwelende, noch nicht einmal das Idiotische, Populistische und Verbalradikale durch Ignorieren, Ausklammern oder gar durch Aggression zu unterdrücken – es wird an anderer Stelle, zu einem anderen Zeitpunkt umso stärker und umso heftiger emporquellen. Immerhin verhält es sich nicht so, dass die AfD bereits Freikorps aufgestellt hätte. Noch ist das Wort die Waffe der Stunde.

Ja, es ist wahr, dass die AfD mit vorsintflutlichen Rezepten auf die Herausforderungen der Gegenwart reagiert, etwa Nationalkultur und -grenzen inmitten transnationaler Medien, Technologien, Ästhetiken, Finanzströme und Politiken als Allheilmittel inszeniert. Es ist wahr, dass sie im trüben Pegida-Tümpel fischt und ihr eigenes akademisches Potential schonungslos unterwandert. Es ist wahr, dass sie gerade in der "thymotischen" Gangart ängstlich, besitzstandwahrerisch, bieder und provinziell wirkt. Es ist wahr, dass manche AfDler suggerieren, Verbrechen von Flüchtlingen wögen schwerer als die von Einheimischen und damit implizieren: Ein deutsches Verbrechen ist halt doch das schönere! Es ist wahr, dass die AfD – man denke an den gruseligen Björn Höcke mit seiner kruden Vision einer "tausendjährigen Zukunft" Deutschlands und seinen hilflosen Männlichkeitsritualen – an Ressentiments appelliert und Ängste wie auch verquere Hoffnungen schürt, deren Eigendynamik sie nicht wird kontrollieren können, selbst wenn sie das wollte.

Aber! Genau damit müssen wir uns auseinandersetzen, immer wieder, ernsthaft und mit langem Atem. Immerhin politisieren und agitieren da Menschen in und mit der AfD, setzen sich Kritik aus, generieren Öffentlichkeit und konterkarieren Anything-Goes-Haltungen – alles besser als postdemokratische Erschlaffung. In der Geschichte kehrt alles genau dann wieder, wenn man es überwunden glaubt und sich in den nachgeschichtlichen Sessel zurücklehnt. Und Vereinfachungen, Populismus, Ideologie – nun, all das kennt man auch von anderen, etablierten Parteien, nur hat man sich an sie gewöhnt, vom Guidomobil über Merkels aus tiefer Überzeugung geborene Energiewende bis hin zu Friedrich Merz' Bierdeckel-Steuererklärung. Nationalromantiker, Schwulenfeinde und Kulturessentialisten findet man auch bei CDU/CSU, nur dass sie derzeit nicht in den vordersten Reihen stehen. Bei der AfD wiegt all das gleichwohl schwerer, gebärdet sie sich doch als Stimme von Vernunft und Rationalität.

Also, Einbindung und konstruktive Kontroverse statt furchtsames Wegducken oder hilflose Aggression! Je mehr Debatten nicht über, sondern mit der AfD geführt werden, desto klarer wird werden: Entgegen ihrer Selbstdarstellung ist die AfD eine völkische Partei, keine Volkspartei die unterschiedliche Strömungen zusammenführt, um Ausgleich bemüht ist und nicht der Illusion des Philosophenkönigs erliegt, man könne die empirische Welt an (deutschen!) Idealen genesen lassen. Leitbegriffe der Partei wie "Wahrheit" (vs. "Lüge"), "Werte" oder "Vernunft", die in krassem Missverhältnis zu ihren populistischen Invektiven und weltanschaulichen Plattitüden stehen, deuten darauf hin, dass sie in der Tat der Verführung billig zu habenden Idealismus' erlegen ist – vielleicht ja ein Kollateralschaden ihrer hohen Akademiker-Dichte? Möge sie sich lieber ein Beispiel am Patrizier aus Terry Pratchetts Scheibenwelt-Romanen nehmen! Kurz, die AfD ist eine typisch moderne ideologische Erscheinung im Sinne Eric Voegelins, da sie Teilaspekte des politischen, sozialen, ökonomischen, wissenschaftlichen und religiösen Lebens isoliert und verabsolutiert, hoffend, die Realität würde sich der Idee schon fügen.