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Kolumne "Die Kunst und alles andere"

Veröffentlicht am 27.06.2023

Seit 2018 bin ich Kolumnist der Stuttgarter Zeitung. In unregelmäßigen Abständen und gebührlichem zeitlichem Abstand veröffentliche ich die monatlichen Kurzessays auf meinem Blog.

In meiner heutigen Kolumne möchte ich einen dringlichen Appell an die Eltern dieser Welt, nun ja, zumindest an die Eltern Württembergs richten: Ihr, die Ihr eure Kinder bislang im besten pädagogischen Wissen und Gewissen mit Schubertsonaten und Jazzdudeleien musikalisch früherzogen habt, haltet inne! Ihr setzt auf die falschen Genres. Wir leben in Krisenzeiten – Pandemie! Capitol Riots! Irre Präsidenten! Kommunikonfuzikapitalistischer Totalitarismus! Klimapokalypse! Wendler! Für diese eisenharte Ära taugt nur eine Musik: Heavy Metal.

Seit Beginn der Corona-Pandemie ist ständig zu lesen, auf so etwas sei niemand vorbereitet gewesen. Huch, ein Virus! Es schien, als hätte sich Deutschland schon vor langem in Auenland umbenannt und sich weisgemacht, Mordor läge auf einem anderen Planeten. Ganz Deutschland? Nein! Unbeugsame Metalfans leisten seit jeher Widerstand gegen das, was der Philosoph Günther Anders trefflich „Apokalypseblindheit“ nannte. Metaller wachsen nicht einer Happy-go-lucky Welt mit Shopping, Sunshine und Seidentofu auf, sondern in apokalyptisch durchpulsten Symbolwelten voller Elend, Verwesung, Horror, Tod, Diktatoren, Folter, Monsterschleim, Zombies und ja: Pandemien. Songtitel wie „Pandemic“, „Creeping Death“ oder „Isolation“ sind im Genre an der Nachtordnung. Wenn jemand durch Corona nicht überrascht wurde, dann Metaller. Sie waren auf die Krise bestens vorbereitet, hatten sie doch ein künstlerisches Resilienztraining durchlaufen.

Was also die naive Vorstellung, am Ende der Geschichte in ewigem Frieden und Wohlstand ohne Trump oder Bolsonaro zu leben betrifft, ist Heavy Metal der beste Myth Buster. Das Mittelalter hatte den Totentanz als Memento mori. Wir haben das apokalyptischste aller Popgenres. Und wie man hier im Südwesten vom Pietismus weiß, vermag Apokalyptik durchaus Fleiß und Arbeitsethik zu fördern – glauben Sie mir, ich bin im Heiligen Korntal aufgewachsen. Es ist bezeichnend, dass gerade Heavy Metal zum einen die apokalyptischen Geschichten und Vorstellungen der christlichen Religion am Leben erhält, und zum anderen die protestantische Arbeitsethik verkörpert.

Wenn Sie, liebe Eltern, ihre Kleinen also auf die Welt da draußen vorbereiten wollen, dann entsorgen Sie schleunigst den Kuschelschmonz von Rolf Zuckowski & Co. Schaffen Sie sich ein paar anständige Alben von Suffocation, Malevolent Creation oder Asagraum an. Grunzen Sie abends an der Wiege einen Song von Behemoth. Schicken Sie ihre Teenager zum Grindcore-Unterricht statt in die Geigenstunde. In der nächsten Krise wird es der Nachwuchs Ihnen danken.