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Terror in Christchurch

Veröffentlicht am 15.03.2019

Terroranschläge wie der heutige in Christchurch, Neuseeland, haben immer auch zum Ziel, die Betroffenen und die sich mit ihnen Solidarisierenden zu Reaktionen zu provozieren, die das gnostische Weltbild der Terroristen zu bestätigen scheinen. Extremistische Gewalt soll möglichst extreme Gegengewalt schüren. Tritt sie ein, wird sie als Beweis für die Richtigkeit der eigenen Freund-Feind-Ideologie und zur Legitimation weiterer Terrorakte missbraucht – wir wehren uns doch nur!

Dieses Vorgehen kennt man aus der Kindheit. Auf dem Pausenhof werden manche Kinder so lange drangsaliert, bis sie sich nicht mehr zu helfen wissen und sich im Affekt verbal oder körperlich zur Wehr setzen, was ex post als Grund für ihre Unbeliebtheit ausgewiesen wird. Ein Teufelskreis. Man stiftet solange Verwirrung, bis niemand mehr weiß, was Ursache und Wirkung ist. So können diejenigen, die nur durch Intrigen, Tricks und feige Gewalt in der Lage sind, ihre Position zu verbessern, eben dies tun.

In diesem Sinne geht es auch Terroristen darum, den Ausnahmezustand herbeizuführen, auf dass sich die verhasste bestehende Ordnung selbst suspendiere oder sogar selbst abschaffe. Wohlgemerkt: Die Rede ist von Terroristen, nicht von Widerstandskämpfern in autoritären oder totalitären Regimen. Im Chaos des Ausnahmezustands gewinnt früher oder später die nackte Macht die Oberhand, mithin eine Macht, die sich nicht durch Gutmenscheleien wie Dialog, Fairness, Argumente, Kompetenzen, Abwägung, Mäßigung oder Empathie legitimieren muss. Der Aufstieg der nackten Macht im Ausnahmezustand dient – petitio principii – zur Legitimierung der eigenen ideologischen Haltung, derzufolge sich stets die – aus eigener Sicht – Stärksten behaupten. Dass für diese Behauptung der Stärksten eigens ein begünstigender Zustand durch Intrigen, Tricksereien und feige Gewalt herbeigeführt werden muss; dass sich im Vorzustand seltsamerweise die – aus eigener Sicht – Schwachen durchgesetzt haben, wird ausgeblendet.

Deshalb trainieren Extremisten heute für den Bürgerkrieg. Nicht, weil sie fürchten, dass er kommt. Sondern weil sie hoffen, dass er kommt. Nur er bietet ihnen die Chance, ihre nicht mehrheitsfähigen, abstrusen Ideologien im Chaos durchzusetzen. Und nur die gezielt herbeigeführte Schwächung der "Anderen" lässt ihre eigene Position als stark erscheinen. Ob White Supremacists, Linksextremisten oder radikale Islamisten – unabhängig von der jeweiligen Ideologie soll "Dekonstruktion" (Stephen Bannon) Chaos erzeugen, das die vorchaotische, zumeist als "liberal" diffamierte Ordnung nachträglich als Grund für das Chaos erscheinen lässt. Deshalb gilt es immer und überall, Terroristen nicht auf den Leim zu gehen und als Reaktion auf Anschläge keine Zustände zu schaffen, die ihnen über kurz oder lang in die Hände spielen.