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Im ehemaligen Bessarabien

Veröffentlicht am 06.07.2015

Unlängst auf einem Dorffriedhof in der Ukraine, im früheren Bessarabien. Auf einer Anhöhe die Gräber deutscher Siedler, die den Ort 1814 gründeten und 1940, im Zuge des Hitler-Stalin-Pakts, nach Deutschland auswanderten. Die überwucherten Grabsteine legen ein beredtes Zeugnis davon ab, dass nicht nur Migranten nach Deutschland kommen, wie wir es heute allenthalben hören, sondern dass auch viele Deutsche Migranten waren. Wer sich dieser Tage über Einwanderung beklagt, darf von der Auswanderung nicht schweigen.

Zur Zeit der Religionskriege emigrierten die Vorfahren der hier ruhenden Siedler aus Deutschland nach Polen – damals herrschte im polnisch-litauischen Commonwealth grössere religiöse Toleranz als in anderen Teilen Europas – und später, einem Ruf des Zaren Alexanders I. folgend, nach Russland. Sie bildeten dort das, was Migrationskritiker und Ausländerfeinde gerne als "Parallelgesellschaften" geisseln – man blieb unter sich, heiratete unter sich, pflegte Sprache und Brauchtum. Was man aktuell etwa den Türken in Deutschland vorwirft, hatten Deutsche schon im 19. Jahrhundert perfektioniert. Ich schliesse mich Tanja Dückers an, die 2010 auf ZEIT online schrieb: "Leider wird der Ausdruck 'migrantische Parallelgesellschaft' … derzeit fast nur negativ konnotiert – als gäbe es nicht auch vollkommen unauffällige, friedfertige migrantische Parallelgesellschaften, wie es sie seit jeher in der Geschichte der Menschheit gegeben hat. Ferner wird diese Kritik ungerechterweise selten an den nicht-migrantischen Parallelgesellschaften geübt, von denen es ebenfalls nicht wenige hierzulande gibt." Link zu Dückers Artikel