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Götterspeisung. Eine Meditation vor Junkfoodaltären in Asien

Veröffentlicht am 01.11.2016

Unlängst in Taipei, Taiwan. Sinnend stehe ich vor einem Altar im Treasure Hill Temple, Gesänge und Räucherschwaden wabern durch den Raum. In meditativer Ruhe die Opfergaben kontemplierend, die sich auf einem Altar türmen, beschleicht mich ein Verdacht. Will da jemand die Erleuchteten vergiften?

Während sich die Menschen allerorten bewusster ernähren und, sofern es die finanziellen Verhältnisse erlauben, sich mit Super Foods, Supplements, Paleolithic Diets und Clean Eating in Richtung vollendeter Reinheit fressen, scheint man es nicht für nötig zu halten, den Heiligen Vergleichbares aufzutischen. Im Gegenteil – so manche asiatischen Altäre haben sich in heimliche Müllhalden für Trash- und Junkfood verwandelt. Sie quellen über vor bröseligem Knabberkram und sinistrem Süßgebäck, dessen glykämischer Index höher liegt als Nirwana. Was Buddha & Co. da mitunter vorgesetzt wird, würde im Prenzlauer Berg als Körperverletzung gelten, ja als Verbrechen gegen die Menschenwürde, die in saturierten LOHAS-Gesellschaften bekanntlich gleichbedeutend ist mit Magenwürde. So erklärt sich vielleicht auch Buddhas skulptural bezeugte Körperfülle: Seit Jahrhunderten laden scheinheilige Gläubige und Verehrer all das an seinen Weihestätten ab, was sie fett, faul und krank werden lässt. Das Opfer ist in Wahrheit – eine Diät! Der Tempel – eine Halde! Die Diabetes-Erkrankungen im Nirwana müssen entsetzliche Ausmaße haben.

So kann es nicht weitergehen. Es ist an der Zeit, die Heiligen und Erleuchteten an unserer gastromanischen Selbstvergottung teilhaben zu lassen: Functional Food unter der Woche und ausgewählte Delikatessen an den cheat days! Man bringe Buddha Blaubeeren, Detox-Smoothies, Quinoa-Salate, protein bars mit präbiotischen Nahrungsfasern, Steaks vom Angusrind, Fischölkapseln und Selen-Tabletten! Samsara, Upadana, Tralala. Kekspackungen besiegeln schließlich auch keinen Bruch mit der Welt.