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Aquaristik/Apokalyptik: Interne Weiterbildung IV

Veröffentlicht am 28.08.2016

Für die Recherchen zu einem Buch über Aquaristik, das ich mit meinen geschätzten Kollegen David und Tania Willen im nächsten Jahr in der Edition Patrick Frey veröffentlichen werde, suchte ich jüngst das Aquarium von Porto, Korsika, auf. Es war so verschlossen, wie es die Meere viele Jahrhunderte lang waren.

Über weite Teile der Menschheitsgeschichte wanderte einzig die Imagination über den dunklen Meeresboden, auf der Suche nach den ersten Kreaturen und den letzten Geheimnissen der Schöpfung. Im 19. Jahrhundert aber änderte sich dies: Man kescherte, man fischte, man harpunierte, man tauchte, man erforschte, klassifizierte und präsentierte die Wunder der Meere, auf dass die "Zeit des Weltbildes" (Martin Heidegger) zu ihrer Vollendung gelange. Doch wie profan ist diese Profanierung wirklich?

Philip Henry Gosse, der Popularisierer der Aquaristik um 1850, gab seinem Bestseller "The Aquarium" (1854) einen vielsagenden Untertitel: "An Unveiling of the Wonders of the Deep Sea". Der britische Naturforscher war ein apokalyptischer Freikirchler und verwendete den Begriff "Enthüllung" vermutlich nicht ohne Hintergedanken – im Griechischen steht "apokálypsis" für "Enthüllung" und, wörtlich, "Entschleierung". Das Meer zu "entschleiern" kam für Gosse dem Brechen eines Siegels gleich, wie es in der Offenbarung des Johannes beschrieben wird: Die im doppelten Wortsinn "tiefsten" Wahrheiten sollten durch die Erkundung und Zurschaustellung der Meere zutage treten, gleichsam als Auftakt der finalen Enthüllungen beim Jüngsten Gericht, welches er sehnlichst erwartete. Da zeigt sich, dass die Subtexte der Wissenschaft immer wieder religiöser Natur sind – und dass das Aquarium eigentlich ein Apoquarium ist.

Vor dem verschlossenen Aquarium von Porto stehend, fühlte ich mich irgendwie erleichtert, dass die "Offenbarung" ausgeblieben war...