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Am Grab Pilsudskis

Veröffentlicht am 30.05.2015

Unlängst auf dem Rasos-Friedhof in Vilnius, Litauen, an einem durchsonnten Samstagmorgen...

Einer der schönsten Friedhöfe Europas, Anfang des 19. Jahrhunderts gegründet, ist der Rasos-Friedhof in Vilnius. Nächtens könnte man sich ihn gut in einem Film von Tim Burton vorstellen. Ein teils sanft, teils steil hügeliges Gelände, die in mannigfaltigen Kruzifixformen gehaltenen Grabmale in lockerer Ordnung verstreut, umsäumt von schwer zu bändigendem Gras und nachdenklich-melancholischen Bäumen. Dazwischen neugotische Kapellen. Auf dem vorgelagerten Soldatenfriedhof ruht das Herz Józef Piłsudskis unter einer monumentalen Steinplatte. Harry Graf Kessler erwähnt in seinem Tagebuch die "mystischen Augen" des militanten polnischen Sozialisten, sein Biograph Wacław Jędrzejewicz betont seine Wurzeln in Denken und Literatur der Romantik. Was es wohl zu bedeuten hat, dass ausgerechnet die Trias Sozialismus, Mystik und Romantik 1920 die materialistisch hochgerüstete Rote Armee an der Weichsel schlug? Leszek Kołakowski schrieb in seinem Buch Die Gegenwärtigkeit des Mythos: "Die Kultur lebt stets aus dem Wunsch nach endgültiger Synthese ihrer zerstrittenen Bestandteile und aus der organischen Unfähigkeit, sich diese Synthese zu sichern. Der Vollzug der Synthese wäre ebenso der Tod der Kultur wie der Verzicht auf den Willen zur Synthese."